Großstadtnächte von REGINALD LANIRA Der
gesamte Freitag glänzt mit richtig beschissenem Wetter. Die nassen Straßen
spiegeln die vielfarbigen Leuchtreklamen in ihren Pfützen und es gießt
weiterhin in Strömen. Anfangs
hatte ich noch die Hoffnung, das Wetter würde sich gegen Abend etwas
bessern, doch Pustekuchen. Trotz dieser widrigen Bedingungen lasse ich
mir meine gute Laune nicht verderben. Dafür freute ich mich schon zu
sehr und zu lange auf den anstehenden Vortrag des Frankfurter
Physikalischen Vereins. Thema soll die Suche nach Schwarzen Löchern im
bekannten Universum sein. Schnellen
Schrittes biege ich um die vorletzte Ecke, als ich mich unversehens in
einem Pulk Jugendlicher wiederfinde. Sieben an der Zahl, ausnahmslos hübsche
Mädels, nicht älter als vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre. >Na
Alter, so spät noch unterwegs? Keine Angst so allein? Zieh' gleich mal
die Jacke aus, dann lassen wir dich auch in Ruhe.< Die Größte kommt
locker und lässig auf mich zu geschlendert. Ich
bin total baff, weiß im ersten Moment gar nicht was ich sagen soll. Was
wollen sieben Großstadtgören mit einer alten, speckigen und obendrein
noch kaputten Motorradlederjacke? >Was
wollt ihr denn mit meiner Jacke? Die ist so verranzt, die werdet ihr
nicht mal mehr auf dem Flohmarkt los.< >Schwätz'
nicht dumm 'rum. Mach' hin!< Ihre Haltung wird drohend, der Kaugummi
wandert hektisch von rechts nach links und wieder zurück. >Nö!!<
Meine Hand schließt sich um das Springmesser in meiner Tasche. Ich weiß
schon warum ich niemals "ohne" nach Frankfurt pilgere. Diese
Waffe gibt ein Gefühl von Sicherheit. Allerdings kann diese
"Sicherheit" auch sehr trügerisch sein, denn man weiß vorher
nie, wem man begegnet. >Was
soll das heißen?< Die Wortführerin sieht "ihre" Felle
davonschwimmen. In ihren dunklen Augen kann ich lesen, das meine
Weigerung Gewalt zur Antwort haben wird. Als sie zuschlagen will, fällt
ihr eine der jungen Damen in den Arm. >Hör
auf! Er hat recht. Für das schäbige Teil lohnt sich der ganze Aufwand
nicht.< Die Anführerin funkelt erst mich, dann die mit den Rastazöpfen
böse an. Gibt sich aber geschlagen, als sie sieht das die anderen der
gleichen Meinung sind. Unverrichteter Dinge ziehen sie eiligst von
dannen. Puh. Glück gehabt.. Das hätte auch ins
Auge gehen können. Noch
etwas wackelig in den Knien erreiche ich die Stufen des Physikalischen
Vereins. * Ein
spannender Vortrag zog mich die letzten zwei Stunden in seinen Bann, ließ
mich die Begegnung der prickelnden Art schnell wieder vergessen. Als
ich aus dem altehrwürdigen Gebäude trete hat es endlich aufgehört
zu regnen. Ein Blick in die Runde beschert mir Gewißheit, keine der Gören
zu sehen. Erleichtert wende ich mich in Richtung meines schwarzen
Vehikels. Die besagte Ecke lasse ich diesmal unbehelligt hinter mir.
Wenige Meter vom Auto entfernt, sehe ich die Rastazöpfe in gut fünfzig
Meter Entfernung, auf einem Geländer sitzen. Die gutaussehende, junge
Dame scheint auf jemanden zu warten. Höchst
wahrscheinlich nicht auf mich. >Ich
muß mich bei dir bedanken. Ansonsten bräuchte ich eine neue Brille und
wahrscheinlich einen guten Zahnarzt.< >Schon
gut, schon gut.< Brummte sie ungehalten. An
die Absperrung gelehnt, die Hände tief in den Taschen vergraben,
beobachte ich den nächtlichen Straßenverkehr. >Darf ich dich etwas
fragen?< >Wenn
es denn unbedingt sein muß.< Das rastabezopfte Gör wirkt zunehmend
ungehalten. >Wie
lange machst du das schon?< >Was?< >Deine
Mitmenschen überfallen!< >Ich
glaube, das dich das einen feuchten Dreck angeht. Was willst du
eigentlich du Penner. Strapazierst du dein Glück immer so sehr?< Der
Ton in ihrer Stimme wird zunehmend schärfer und aggressiver. >Da
magst du vielleicht recht haben. Wenn du aber mich überfällst, geht es
mich schon etwas an. Und überhaupt, was habe ich dir getan, das du so
unverschämt und respektlos zu mir bist. Ich habe dich höflich etwas
gefragt und darauf erwarte ich eine ebensolche Antwort. Auch wenn du mir
keine geben möchtest. Ich habe dich mit allem gebührenden Respekt behandelt,
wie es sich zwischen intelligenten Individuen gebührt. Ich hatte
gehofft du hättest ein höheres Niveau und mehr Grips als dein Boss,
deshalb kam ich auch zu dir, um dir für deine Hilfe zu danken, aber das
du so wenig im Gehirn hast, erschreckt mich schon. Ursprünglich wollte
ich dir einen Vorschlag unterbreiten, aus eigener Kraft aus diesem Sumpf
freizukommen. Das Ganze hat sich jedoch mit deiner Antwort erledigt.
Schwache Leistung, Baby. Gehab' Dich wohl!< Abrupt stoße ich mich
vom Geländer ab, marschiere schnurstracks und bestimmt zu meinem
wartenden Töff. Die schwarzen Bikers dröhnen drohend über den Asphalt.
Das habe ich nicht nötig, mir eine solche Frechheit bieten zu lassen. Wütend
bugsiere ich meine Karre aus der nicht sehr üppigen Parklücke. Als ich
langsam , aus dem Gewirr von Sträßchen, Gassen und Baustellen
entkommen will, versucht jemand vergebens die Beifahrertür zu öffnen. * >So,
bitte sehr. Eine Cola auf Eis für die Dame und einen Southern Comfort
pur für den Herrn.< Die Asiatin lächelt freundlich und verschwindet
wieder im Hintergrund. Nach einem sehr schmackhaften Thai-Mahl nehme ich
mit dem Rastaschopf noch einen Drink, um endlich zum geschäftlichen
Teil des Abends zu kommen. Während
des Essens hatten wir uns über die unterschiedlichen Lebensbedingungen
ihrer Bandenmitglieder unterhalten. Rastakopf hatte es noch am besten
erwischt, denn sie wohnte derzeit bei ihrer geschiedenen Mutter, die sie
beide mehr schlecht als recht über die Runden brachte. Der Rest war
entweder aus dem Heim abgehauen und lebte nun auf der Straße, oder die
Eltern hielten sich ebenfalls kleinkriminell über Wasser, wobei ihnen
dieses immer bis Unterkante Oberlippe stand. >Jetzt
aber mal raus mit der Sprache. Welche Idee willst du mit mir
besprechen?< >Es
ist ein sehr unkonventioneller Gedanke und nicht ganz risikolos. Aber
eine legale Methode der wundersamen Geldvermehrung. Allerdings gibt es
dabei einen Haken. Frau braucht einen gewissen Obolus als
Startkapital.< Je
weiter der Abend fortschreitet, um so besser freundet sich mein Gegenüber
mit meiner Offerte an. Jedoch hat sie noch einige bedenken in Hinsicht
auf ihre Gefährtinnen, die allesamt auf Einmischung von außen
allergisch reagieren. Vor allem, wenn es sich dabei auch noch um einen
Angehörigen einer anderen sozialen Schicht handelt. Ihr anfänglicher
Argwohn mir gegenüber scheint inzwischen verflogen, denn sie lacht
immer öfter und sondiert auch nicht mehr so mißtrauisch ihre Umgebung,
wie noch zu Beginn des Abends. * >Du
glaubst doch nicht im Ernst das ich dem da, auch nur eine müde Mark
anvertraue!< Wenn Blicke töten könnten, läge ich jetzt zwei Meter
tief unter der Erde. >Das
sagt wiederum genau die Richtige. Betrachte dich erst mal selbst im
Spiegel und fasse dir an die eigene Nase, bevor du dir ein Urteil über
andere erlaubst.< >Du
sollst deine paar Kröten ja auch nicht ihm anvertrauen. Wir verwalten
unser Geld selbst. Er liefert die Idee, eine sehr gute Idee, und sogar
einen Zuschuß von tausend Mark, die wir nicht zurückzahlen
brauchen.< erhalte ich, von ganz unerwarteter Seite, Hilfe. >Ach!
Dann ist er wahrscheinlich auch noch der Weihnachtsmann, das ganze ein
verfrühtes Weihnachtsgeschenk und wir sollen Ihm zum Dank für seine
Wohltätigkeit auch noch die Stiefel lecken.< Der Hohn trieft zäh zu
Boden, bildet dort eine rasch größer werdende Lache. >Kann
es sein, das ich aus deinen Worten Neid und Eifersucht heraushöre. Du
bist neidisch darauf das die Idee nicht auf deinem Mist gewachsen ist.
Und du hast Angst das deine Felle als unangefochtene Chefin davon
treiben, weil deine Mädels nämlich anfangen selbst zu denken und
nicht mehr nach deiner Pfeife tanzen.< >Ach,
leck mich doch am Arsch!!!< Wütend stampft die Tante von dannen. >Du
hast voll ins Schwarze getroffen.< * >Und
du Chefin? Welche Wertpapiere würdest du favorisieren?< >Ich
würde eine Wette auf den DAX eingehen. Von Goldmann & Sachs gibt's
einen interessanten Optionsschein. Einen DAX Call mit einer besonderen
Dividende sollte der Index über 3100 Punkte steigen.< In
den letzten zwei Wochen hatte ich die Mädels alle nur erdenklichen
Wirtschaftszeitungen und -magazine wälzen lassen. Angefangen vom
Capital, über Managermagazin, bis hin zur Wirtschaftswoche und der
Frankfurter Allgemeine Zeitung. Außerdem hatte ich alle möglichen
TV-Sendungen aufgenommen, in denen es sich nur im Entferntesten um die Börse
im allgemeinen und Aktien im speziellen drehte. Jeder
sollte sich ein Papier herauspicken, welches er/sie für besonders
aussichtsreich hielt. Aus diesem Pool wurden drei Wertpapiere ausgewählt,
in die wir die zusammengekratzten 3670.- Deutsche Mark investierten. Sechs
Wochen später erreichte der DAX ein absolutes Rekordhoch. Copyright
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