Katzenragout

 

von

 

Holger Kuhn

 

 

Völlig geschafft kam ich von der Arbeit nach Hause und begab mich schnurstracks, vom Gedanken an einen kühlen Schluck beseelt, in die Küche. Ich traute meinen Augen kaum. Was ich da zu sehen bekam, konnte einfach nicht sein. Ich blieb wie angewurzelt auf der Türschwelle stehen und beobachtete die Szenerie ohne einen Ton hervorzubringen.

Meine vier Katzen hatten sich während meiner Abwesenheit der Küche bemächtigt und werkelten nun fröhlich darin herum. Da lagen schmutzige Schüsseln in der Spüle, benutztes Arbeitsgerät stand oder lag auf dem Tisch und Abfälle stapelten sich rund um den Mülleimer. Zu allem Überfluß hatten sich meine Mitbewohner auch noch wie die Köche herausgeputzt. Um die nicht vorhandenen pelzigen Bäuche hatten sie sich Schürzen gebunden, die den Vierbeinern bis über die Hinterläufe fielen. Woher meine Stubentiger diese Utensilien in der etwas zu groß geratenen Katzengröße organisiert haben mögen, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.

Die Schwarze mit Namen Lyra stand auf allen vieren vor dem Backofen und lugte interessiert durch die Scheibe ins Innere, während die Graugetigerte, die ich Skambalo getauft hatte, genüßlich eine Plastikschüssel ausschleckte. Die anderen beiden, der rote Perser und die weiße Europäisch Kurzhaar mit den schwarzen Tupfen und Namen Rasputin, lümmelten sich auf den Küchenstühlen und unterhielten sich miteinander in alltäglich klingenden Miaulauten. Wie ich feststellte, wiesen diese eine gewisse Nuancierung auf, die den ”Worten” wahrscheinlich eine ganz andere Bedeutung gaben. Den Roten hatte ich zwar auf den wohlklingenden Namen Heinz getauft, aber leider hörte er so gar nicht auf diesen Namen. Deshalb rief ich ihn der Einfachheit halber nur „Perser“.

Anscheinend warteten meine Wohnungsgenossen auf das Ergebnis ihrer Bemühungen, das sich gerade in der Backröhre befand. Ich muss zugeben, ich war ebenso gespannt, ob des Gelingens des im Ofen vor sich hin schmurgelnden und einen etwas stechenden Duft verbreitenden. Außerdem fragte ich mich im Geiste, was kochende Katzen wohl an kulinarischen Köstlichkeiten fabrizieren würden?

Falls meine Vierbeiner mein Auftauchen registriert hatten, ließen sie es sich jedoch nicht einmal an einem Schnurrbarthaarzucken anmerken. Der Grautiger putzte sich nach dem Hors d‘oeuvre genüßlich das Fell und gesellte sich dann zu dem einzigen Mädchen in der Herrenrunde, das noch immer voll Begeisterung in den Herd starrte und der Dinge harrte die da kommen würden. Die Augen beider Katzen waren erwartungsvoll geweitet, die Schwänze standen steil in die Höhe gereckt.

Die sich auf den Stühlen ausruhenden Tiere unterhielten sich ungeniert weiter. Hin und wieder fragte entweder die Perserkatze oder der schwarz getupfte Kater die beiden Herdbeobachter etwas, daß ich natürlich nicht verstand. Als Reaktion auf die Fragen begutachtete jedes Mal entweder Lyra oder Skambalo die Knöpfchen der Temperatureinstellung und Heizart und überprüfte die derzeitigen Einstellungen. Das Ergebnis tat diese oder jener dann über die Schulter miauend kund.

Nachdem ich die Szenerie gut fünf Minuten beobachtet hatte, erhob sich der rote Perser und gesellte sich ebenfalls zu den beiden Europäisch Kurzhaar an den Herd, wo er höchstpersönlich das Ergebnis in der Röhre betrachtete. Miauend gab er Lyra einige Anweisungen, woraufhin diese die Hitze auf Null drehte und den Herd abstellte. Mit Topflappen über den Pfoten öffnete sie vorsichtig die Luke einen Spalt breit. Ein Schwall heißen Duftes verließ den Ofen, verwöhnte die Nasen meiner Katzen und drang auch bis zu mir. Ich musste zugeben, ich war überrascht und bass erstaunt, wie der würzige Duft sich in meine Nase wand und mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Ich hatte zwar in der Kantine zu Mittag gegessen, trotzdem bekam ich auf der Stelle wieder Appetit.

<Was habt ihr denn da schönes gekocht?> konnte ich meine Neugier nicht länger im Zaum halten. Ich rechnete nicht ernsthaft mit einer Antwort und fragte eigentlich auch nur rein rhetorisch. Schließlich waren es Katzen!

<Whiskas-Wild-Ragout, mein Lieber, mit einer leckeren Soße und Parmesan darüber gestreut! Möchtest Du ein Schüsselchen davon? Öffnest Du uns dann auch noch die Flasche Bordeaux?> wandte sich Heinz der Perser vertrauensvoll an seinen Mensch.

 

  

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