Materie von Holger
Kuhn Idee:
Petra Müller Marky kletterte durch den engen Schlitz und rollte einen ebenso engen und sackdunklen Gang entlang. Dieser Gang wand sich verschlungen durch seine eingeengte Realität und fuhr mit ihm Achterbahn. Marky war heilfroh, als er sich endlich über eine Kante zu seinen Kumpels in den ungepolsterten Kasten fallen lassen konnte. Darauf hatte Bowler nur gewartet und schoß, wie von der Tarantel gestochen aus seinem Versteck. Er saß auf seiner Markierung wie auf dem Präsentierteller, während er sehnsüchtig auf Feathers Stoß wartete, der ihn ins pulsierende Leben katapultieren würde. Langsam,
unendlich langsam und voll gewalttätiger, brutaler Kraft wurde Feather
nach hinten gezerrt. Verbissen krallte sie sich an ihrer Einfassung fest
und kämpfte verzweifelt gegen ihren Peiniger. Um keinen Preis der Welt
würde sie loslassen. Eher würde ihr der Himmel auf den Kopf fallen.
Unvermittelt hörte das mörderische Zerren auf und sie wusste
instinktiv, daß sie diesen Kampf gewonnen hatte. Feather schoss nach
vorne und knallte in freudiger Erregung gegen ihren Freund. Bowler
jagte mit einer Geschwindigkeit durch die Gänge des Labyrinths, das ihm
nicht einmal ein Porsche hätte folgen können. Doch Reibung und
verschiedene Hindernisse auf seinem Weg ließen den dahin Rasenden
rapide an Geschwindigkeit verlieren. Je langsamer er wurde um so mehr
zog die Schwerkraft an seinem Körper. Bowler stemmte sich mit aller
Kraft dagegen und torkelte wie ein Betrunkener weiter. Plötzlich
schoss eine Mauer aus der Wand, die ihn wieder zurück in Schwindel
erregende Höhen katapultierte, wo ihn der nächste Adrenalinschock
erwartete, nach dem Bowler so süchtig war. Wenige Sekunden später
jagte er durch zig Hindernisse, die ihm den ausgiebigen Genuss des
Hormonkicks vergällten, da sie ihn seiner Geschwindigkeit beraubten. Lichter
flammten wie aus dem Nichts auf und verschwanden auch wieder darin.
Ohrenbetäubender Lärm brandete über ihm zusammen, wenn er eine Brücke
aus Metallstäben passierte. Zahlen tauchten am Himmel auf, die sich wie
von Geisterhand selbst addierten und dann in den Farben des Regenbogens
explodierten. Bowlers
Fahrt verringerte sich bis zum völligen Stillstand und
Sekundenbruchteile später kehrte sich die Bewegung um und er stürzte
einem Abgrund entgegen. Einem Abgrund so dunkel und Furcht einflößend
wie ein Schwarzes Loch. * ”Um
Himmels Willen,” schrie Hacker seinem Kollegen auf der anderen Seite
zu ”da kommt Bowler schon wieder. Dieses Mal muss ich ihn erwischen
sonst ist er verloren.” Er sprang aus seiner Deckung in der Wand und
trat Bowler mit solcher Wucht entgegen, daß dieser von seiner Gummi
bewehrten Brust abprallte und zurück in das Labyrinth geschleudert
wurde. “Puh, das ist noch einmal gut gegangen.” keuchte er, bevor er
sich wieder in seiner Nische niederließ. * Bowler
stürzte erneut dem Abgrund entgegen und nahm im Fallen immer mehr
Geschwindigkeit auf. Er schloss die Augen und wartete darauf von der
Tiefe verschlungen zu werden. Die Vorstellung an die undurchdringliche
Schwärze darin drängte ihn an den Rand einer Panik. Die Beschleunigung
bescherte ihm ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Und
wieder schoss im letzten Augenblick eine dieser Barrieren aus der Wand
und rettete ihn vor dem drohenden Absturz. Im Augenblick hielten die
unversehens auftauchenden Mauern ihn noch davon ab in diesen unergründlichen
Schlund zu stürzen, dessen Schwärze sein Ende verhieß. Engelszungen
gleich lockte es Bowler mit den süßesten Verheißungen der Hölle und
schrie ihm ebenso entgegen: Du entkommst mir nicht! * Lange
halte ich das nicht mehr durch. Mir schwinden die Kräfte.
Hacker wusste das er irgendwann zu langsam sein würde. Wenn nicht das nächste
Mal, dann eben das übernächste Mal und dann war sein Kumpel Bowler
verloren. “Oh
nein, ich habe ihn verfehlt. Um Gottes Willen, Bowler, greife nach
meiner Hand oder du bist verloren.” Hacker brüllte vor Verzweiflung.
Doch Bowler schien ihn nicht zu hören, sondern nur den Abgrund zu
fixieren, der ihn magisch anzog. Der Nischenbewohner versuchte sich noch
länger zu machen als er es schon war, doch seine natürliche Gestalt
machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er war einfach zu
ungelenkig, musste sich Hacker resigniert eingestehen. So sehr er sich
auch bemühte Bowler zu retten, es gab keine Hoffnung mehr für ihn.
Verzweiflung überflutete ihn, als er erkannte, daß er seinem Freund
nicht mehr helfen konnte. Zu spät. Er war zu spät gekommen. Hacker
verschwand wieder in der Mauervertiefung, um dem Schicksal seines
Kollegen nicht unmittelbar gegenübertreten zu müssen. * Die
rettende Mauer verfehlte Bowler nur um wenige Millimeter und er stürzte
ungebremst und unaufhaltsam auf diesen alles verschlingenden Schlund zu.
Im Unterbewußtsein hörte er Worte in sein Gehirn branden, aber er
verstand ihren Sinn nicht. Schreiend stürzte Bowler in die
undurchdringliche Schwärze, die ihn umschloss, wie eine warme weiche
Decke. Alle Geräusche der Welt waren plötzlich wie mit einer Axt
gekappt. Absolute
Stille sickerte in seinen Verstand und lies den Wahnsinn ein. Bowler
zappelte und drehte sich im fallen, doch alles kreischen und zappeln war
vergebliche Mühe. Nichts war zu sehen, zu hören oder zu fühlen, nicht
einmal ein Luftwiderstand. * Ein
weiteres Markstück verschwand im Schlitz und Sekunden später konnte
das nächste Spiel beginnen. Und wieder wurde an Feather gezogen... Copyright
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