Mittwoch von REGINALD
LANIRA <Kannst
du mich heute mittag mit nach Bieber nehmen?> Katja sitzt Reinhold am
Kantinentisch gegenüber, löffelt langsam die geradeso genießbare
Tomatensuppe. <Natürlich. Ich muß aber erst meine
Fahrgemeinschaft in Offenbach abliefern.> <Schön.
Ich möchte dort jemanden besuchen.> Hoffentlich
fragt er mich, wen ich besuchen will. <Komm
gegen vier Uhr bei mir vorbei. Dann können wir zusammen zum Auto
gehen.> * Die ersten Minuten der Fahrt sind mit angeregter
Konversation der beiden Damen ausgefüllt, die mit der Zeit aber immer
mehr verebbt, bis Reinhold im Rückspiegel den Grund erkennt. Die
Kollegin ist in einen unruhigen Halbschlaf gefallen, währenddem sie
leise vor sich hin brummelt. Die vergangenen zwanzig Minuten auf der
Autobahn waren so eintönig, das selbst der 29jährige hinterm Steuer
eingeschlafen wäre, hätte Anne ihn nicht mit einigen gezielten Knuffen
in Rippenhöhe wachgehalten. * Als der junge Mann an der Stadthalle links nach
Tempelsee abbiegt, taucht die üppige Mittdreißigerin wieder aus dem
Dunkel des Schlafes an die Oberfläche. <Na
Schlafmütze. Gerade rechtzeitig um mir zu sagen, wo ich dich in Bieber
rausschmeißen soll.> Er dreht die Scheibe wegen des Zuges etwas in
die Höhe. Katja rutscht in die Mitte der Rückbank, lugt dem
Bärtigen noch etwas schlaftrunken über die Schulter. >Sind wir
schon da?> <Fast.
Noch zwei Minuten.> <Es
gibt da ein kleines Problem. Ich weiß nicht genau wo der Kerl
wohnt.> Sie streicht ihrem Fahrer entschuldigend über den Oberarm. <Mutig,
mutig. Jetzt soll ich dir beim Suchen helfen, wie? Hast du wenigstens
einen ungefähren Anhaltspunkt?> <Du
weißt bestimmt wo er wohnt. Er trägt den gleichen Vornamen, fährt
ebenfalls einen schwarzen Corsa und ist dir so ähnlich wie ein
eineiiger Zwillingbruder.> <Den
Kerl möchte ich unbedingt kennenlernen. Sowas wie mich gibt es
normalerweise kein zweites Mal.> Unterdessen hat der Endzwanziger die
Geschwister-Scholl-Schule links liegen lassen und biegt in den Rebstock
ein. Die hübsche Brünette druckst noch einige Sekunden unbeholfen vor
sich hin, kommt dann aber endlich mit der Sprache herraus. <Ich
wollte dich besuchen. Sollte eine kleine aber feine Überraschung
werden.> <Überraschung gelungen, Patient sprachlos.>
Reinholds unnachahmliche Art eines ultra-kurzen, treffenden Kommentares
sitzt wie angegossen. Die proppere Mittdreißigerin fängt daraufhin an
loszuplappern wie ein frisch vernaschtes Eichhörnchen, läßt ihrer
Phantasie freien Lauf. Sie schließt mit den Worten, ihr Chauffeur solle
sie am nächsten Morgen zärtlich wachschubsen und ihr dann ein
ausgiebiges Frühstück im Bett servieren. <Soso,
ein ausgiebiges Frühstück?> Reinhold wendet sportlich in der
Dietesheimer Straße den 1,2-Liter-Corsa. <Da muß ich aber vorher
noch einkaufen.> Copyright
© Juli 1997 Holger Kuhn Dietesheimer Str. 400 63073 Offenbach |