Musik und Farbe

 

von

 

Holger Kuhn

 

 

Fridolin dümpelte in der Strömung dahin und wußte nichts rechtes mit sich anzufangen. In der Schwärze der Tiefsee, seine Heimat lag fast eintausend Meter unter der Wasseroberfläche, konnte niemand seine tiefblaue Farbe erkennen, geschweige denn die leuchtend roten Flossen bewundern. So ließ er sich von der Strömung treiben und bedauerte sich selbst. Keiner sieht mich, niemand bewundert meine Farben. Fridolin beschloß etwas dagegen zu unternehmen. Er dachte sich, wenn ihn hier niemand beachtete, könne er auch genauso gut an einen anderen Ort schwimmen, an dem ihm die anderen Lebewesen mehr Aufmerksamkeit schenkten. So machte sich der kleine Fisch auf den Weg, der Meeresoberfläche entgegen.

Als er mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich gelassen hatte, begegnete er einem schwimmenden Felsen. Dies fand Fridolin sehr merkwürdig und er sah sich den Brocken näher an. Plötzlich öffnete sich an dessen Seite ein Auge, das so groß war, wie er selbst. Das Auge musterte ihn eingehend und nach einigen Augenblicken stimmte der Felsen ein Lied an. Ein Lied so melodiös und fesselnd, wie der Gesang der Sirenen.

„Wer bist du?“ fragte Fridolin ohne Furcht, dem die Melodie sehr gefiel.

Abrupt verstummte der Gesang und ein tiefer Bass antwortete: „Ich heiße Auguste und bin ein Wal. Und wer bist du?“

Fridolin erzählte dem Wal woher er kam und wer er war. Außerdem schüttete er ihm sein Herz aus, da er Vertrauen zu dem sanften Riesen gefaßt hatte. Und er wollte noch mehr von dessen Liedern hören. Auguste fühlte sich geschmeichelt und sang für Fridolin, während dieser, dessen Auge mit seiner Farbe erfreute.

 

 

Copyright © März 2001 Holger Kuhn Dietesheimer Str. 400 63073 Offenbach