Nordöstlich des Rhein (Briefe
eines Legionärs) von Holger
Kuhn mehrere Fundstücke aus römischer Zeit, datiert
auf das Jahr 9 n. Chr.: (aus
dem lateinischen übersetzt) Erster
Brief: Geliebtes Weib Venera Sofia, diesen Brief schreibe ich dir am Tage der Iden des
Oktober im XXXX. Herrschaftsjahr des Kaisers Augustus. (15. Oktober 9
nach Christus) Nur noch wenige Tage und ich werde wieder in eurer
Nähe sein. Schon jetzt freue ich mich, dich wieder in die Arme zu
schließen und mit Lavinia Messalina zu spielen. Sie muss in den letzten
Monaten meiner Abwesenheit kräftig gewachsen sein!? Steht noch das kleine Theater in Rom in dem wir
uns kennenlernten? Die Legion schlägt in den nächsten Tagen das
Lager ab und wir ziehen uns ins angestammte Winterquartier nach Colonia
Aggripinensis zurück. Die Vorbereitungen für den Abmarsch in Richtung
Rhenus sind bereits in vollem Gange. Fürst Arminius ist mit einer kleinen Truppe die
vergangenen Tage zu Besuch gekommen und warnte uns vor Aufständischen,
die die uns bekannten Wege unsicher machen. Er wird den Tross eine Zeit
lang begleiten und sich dann von uns trennen, um ebenfalls in sein
Winterlager zu gelangen. Die Tage zuvor demonstrierte die XVIII. (Legion)
immer wieder den Fürsten der Chatten, Angrivarier, Sugambrer, Bataver
und Brukterer unsere Stärke und Kampfkraft. Legat Publius Quinctilius
Varus ließ die Truppe stundenlang marschieren und exerzieren, um den
versammelten Fürsten und Würdenträgern klar zu machen, daß es besser
ist sich nicht gegen Rom zu stellen. Die Germanenführer zeigten sich
beeindruckt und erneuerten oder bekräftigten die Treueschwüre. Selbst
Arminius, der über Jahre im Römischen Heer diente, war voll des Lobes
für die Disziplin der Einheiten und deren Geschick im Umgang mit der
Waffe. Ansonsten ist das Lagerleben recht einseitig.
Abwechslung gibt es nur hin und wieder, wenn ich mit den Kameraden
Ausgang zum Tross habe. Dort sitzen dem ein oder anderen Legionär die
Sesterzen dann allzu locker in den Taschen. So mancher gesellt sich, von
den Spielern oder den Mädchen um den Sold erleichtert, zurück zur
Truppe. So auch Marcus Dio, den ich dir einmal vorstellte. Ansonsten
habe ich wenig Probleme mit den mir unterstellten Männern meiner
Einheit. Die ein, zwei Unruhestifter, die sich in jeder Mannschaft
finden, verdonnerte ich zu verschärftem Wachdienst oder
Strafexerzieren. Ich habe die Männer recht gut im Griff. Mache dir keine Sorgen um mich! Küsse unsere Tochter von mir, Flavius Antonius Cato
Zweiter Brief: Geliebtes Weib Venera Sofia, diesen Brief schreibe ich dir am XI. Tag vor den
Kalenden des Novembers im XXXX. Herrschaftsjahr des Kaisers Augustus.
(20. Oktober 9 nach Christus) Unser Befehlshaber Publius Quinctilius Varus gab
heute den Marschbefehl zur Rückkehr an den Rhenus. Der Tross stand gut
ausgerüstet bereit und konnte sich unverzüglich in Bewegung setzen.
Etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang zogen wir aus dem Sommerlager an der
Weser und marschierten in einem Tross von bald 25.000 Menschen in
Richtung auf den Rhenus. Die Kolonne zog sich über mehrere Meilen durch
die Landschaft. An diesem Tag hatten wir Glück mit dem Wetter,
die Sonne schien und der Boden war trocken. Das Gelände war eben und
die Ochsengespanne und Lasttiere, sowie die Soldaten kamen schätzungsweise
XXXV – XXXX Meilen an diesem Tage voran. Im Laufe des Tages verabschiedete sich Fürst
Arminius von Publius Quinctilius Varus und verschwand mit seinem Gefolge
in den Wäldern. Der Cherusker ließ uns einige Späher zurück, die uns
auf sicheren Pfaden an den Aufständischen vorbeiführen sollen. In Verbindung mit Arminius hält sich ein Gerücht
hartnäckig in der Runde. Angeblich soll vor unserem Abmarsch einer der
anderen Germanenfürsten den Arminius des Verrates bezichtigt haben.
Unser Oberbefehlshaber Publius Quinctilius Varus glaubt den
Anschuldigungen jedoch nicht und vertraut weiter dem Cheruskerfürst. Wohl ist mir nicht bei bei der Sache, doch mache
dir keine großen Sorgen. Die drei Legionen sind hervorragend ausgerüstet
und bestens auf den langen Rückmarsch vorbereitet. Seit dem frühen Abend gab es kleinere Scharmützel
mit einigen Germanen. Der Kampfgeist der Truppe ist hoch und der Feind lässt
sich selten blicken. Die wenigen Male, bei denen wir auf die Barbaren
stießen, verliefen erfolgreich. Wir gingen Mann gegen Mann gegen sie
vor, bis sie sich aus dem Kampf zurückzogen und meine Kohorte (Einheit
zu etwa 600 Mann) folgte ihnen einige Meilen bis wir sie aus den Augen
verloren. Unsere Schlagkraft ist ungebrochen, wir sind den
Germanen in allen Belangen überlegen. Unsere Bewaffnung und Ausbildung
verschafft uns große Vorteile gegen diese dreckigen, häßlichen Kerle. Später am Abend errichteten wir ein befestigtes
Lager in der Nähe einer Quelle, aus der wir unseren Vorrat an
Trinkwasser ergänzten. Das Wasser dieser Quelle ist herrlich klar und
schmeckt ausgezeichnet. Trotzdem vermisse ich den guten Wein aus den
gallischen Provinzen. Ich freue mich schon jetzt darauf, euch in Bonna
zu besuchen. Wenn ich zurückkehre besuchen wir gemeinsam wieder das
Theater. Bringt Horaz wieder eine seiner bissigen Satiren auf die Bühne? Macht euch keine Sorgen um mich. Ich bin bald
wieder bei euch! Ich küsse und liebe euch, Flavius Antonius Cato Dritter Brief: Geliebtes Weib Venera Sofia, diesen Brief schreibe ich dir am IX. Tag vor den
Kalenden des November im XXXX. Herrschaftsjahr des Kaisers Augustus.
(22. Oktober 9 nach Christus) Das Wetter hat umgeschlagen. Seit dem vergangenen
Tag hat es keinen Moment aufgehört zu regnen. Der Regen wird noch durch
einen Sturm verschlimmert, der Bäume knickt wie morsche Zweige. Zu
allem Unglück marschieren wir nun über schweres Gelände. Bis zur
Mitte des Tages kämpften wir uns durch einen dichten Wald, der uns am
fortkommen hinderte. Jetzt aber ist der Untergrund feucht und
schlammig. Die Karren bleiben immer wieder im Dreck stecken und wir müssen
sie mit viel Mühe befreien, wenn wir die wertvolle Ausrüstung nicht
zurücklassen wollen. Und wirklich ist Verrat im Spiel. Die Stämme der Germanen haben sich gegen uns
verschworen. Arminius Späher führten ins in dieses schwere
Gelände, in dem wir nur unter Mühen vorankommen und kehrten nicht mehr
zurück. Die Stämme greifen uns seit zwei Tag immer wieder an, um sich
nach kurzen Gefechten wieder zurück zu ziehen. Wir stehen mitten in Feindesland. Nichts ist mehr
zu bemerken von der einstigen Freundschaft des Cheruskers Arminius.
Seine Männer fügen uns mittlerweile Schaden zu wo sie nur können. Die
Auseinandersetzungen werden blutige und verlustreicher für die römische
Legion. Auf zehn gefallene Legionäre kommen nur zwei bis drei tote
Barbaren. Die Germanen tauchen aus dem Nichts auf und
verschwinden genauso wieder im Nebel und Regen der Wälder, für die
unsere Einheiten nicht taugen. Der Cherusker hat unsere Achillesferse
genau erkannt. Solange er keine offene Feldschlacht mit den römischen
Truppen riskiert, ist er unverkennbar der Herr der Lage. Was unser Herr Publius Quinctilius Varus dagegen
zu unternehmen gedenkt bleibt mir verborgen, doch meine Sorgen wachsen
von Stunde zu Stunde, in denen wir den Nadelstichen der Barbaren
ausgesetzt sind und diesen nichts entgegen zu setzen haben. Die hellhäutigen Riesen sind uns körperlich überlegen
und unsere Rüstungen und das Gepäck machen uns in dem schweren Gelände
unbeweglich und zu einer leichten Beute der schnellen und geschickten Kämpfer. Wir wollten ihnen die Zivilisation bringen, nun
lehren sie uns das Fürchten. Es sind furchtlose Kämpfer, die sich
willig ins Kampfgetümmel stürzen und das Schwert vorzüglich zu führen
wissen. Von unserer anfänglichen Überlegenheit ist nicht mehr viel übrig
geblieben. Notgedrungen mussten wir viele der Gespanne aufgeben. Die
Ladung wurde auf die Legionäre verteilt, die nun noch unzählige Pfund
zusätzlich schleppen müssen. Betet für uns zu den Göttern, damit wenigstens
der Rest der ehemals drei Legionen unbeschadet den Rhenus erreicht und
ich euch unversehrt wiedersehe. In Liebe euer Gatte und Vater Flavius Antonius Cato Vierter und letzter Brief: Geliebtes Weib Venera Sofia, diesen Brief schreibe ich dir am VI. Tag vor den
Kalenden des Novembers im XXXX. Herrschaftsjahr des Kaisers Augustus.
(25. Oktober 9 nach Christus) Wahrscheinlich wirst du diese Zeilen niemals
erhalten. Denn dies wird der Tag sein, an dem ich dem Tod begegne. Bete
für mich zu den Göttern. Ich versuche meine Einheit so gut es geht
zusammenzuhalten, doch das Gros ist bereits gefallen. Ich versuche
soviele Männer, auch anderer Abteilungen, wie möglich um mich zu
scharen und dann den Rhenus zu erreichen. Das dortige Lager Vetera
Castra ist mein Ziel. Die Germanen stehen zwischen uns und der Festung
Aliso, die somit als Zufluchtsort ausscheidet. Ob wir es schaffen? Unser Rückzug gleicht einer Flucht, ein
geordnetes Marschieren ist nicht mehr möglich. Die ehemals schlagkräftige
XVII., XVIII. und XIX. Legion ist in kleine Grüppchen zersplittert, die
von den Feinden eine nach der anderen aufgerieben werden. Alle höheren
Offiziere sind gefallen und die, die in Gefangenschaft gerieten wurden
an Ort und Stelle niedergemacht. Publius Quinctilius Varus und die anderen hohen
Offiziere stürzten, sich angesichts der ausweglosen Lage, in ihre
Schwerter. Somit sind wir dem Untergang geweiht und es ist nur noch eine
Frage der Zeit bis die Barbaren uns alle niedergemacht haben werden. Bevor dies geschieht, nehme ich mir selbst das
Leben. Die Würfel sind gefallen. Wir wurden von Fürst Arminius verraten. Wir sind bereits gestorben. Auch wenn wir noch
durch die dichten Wälder irren, so werden uns die Barbaren doch früher
oder später finden. Meine Legion hat aufgehört zu existieren und doch
wird sie über unseren Tod hinaus weiterleben. Rom wird eine neue XVIII.
Legion ausheben in der unsere Geister fortbestehen werden. Andere werden kommen und unseren Tod rächen. Liebste Venera Sofia, ich liebe dich über den Tod
hinaus. Genauso wie ich unsere Tochter Lavinia Messalina
liebe. Umarme unsere Tochter in meinem Andenken. Du musst jetzt stark sein und unserem Kind eine
gute Mutter sein. Sollte es dir an irgendetwas fehlen, wende dich an
meine Eltern. Sie werden dir bei allem Hilfe gewähren, was es auch sei.
Denn sie lieben dich wie eine leibliche Tochter. Sei ihnen eine gute
Tochter, da sie ihren Sohn verloren. Behalte mich in deinen Erinnerungen und bete für
mich, Flavius Antonius Cato Geschichtlicher
Hintergrund: Varus hatte sich die Germanen zum Feinde gemacht,
als er versuchte das als fremdartig verhasste römische
Gerichtsverfahren in den eroberten germanischen Gebieten einzuführen. Im Jahre 9 nach Christus lockte der Cheruskerfürst
Arminius den römischen Statthalter Publius Quinctilius Varus in einen
Hinterhalt. Er empfahl dem Römer einen Weg zurück in das
niederrheinische Sommerlager, der bestens für einen Überfall der
vereinigten Germanenstämme geeignet war. Arminius, der in Rom erzogen
und in den Ritterstand erhoben worden war,
wusste aus seiner Zeit als Offizier und Befehlshaber germanischer
Hilfstruppen, das er den Römern in einer offenen Feldschlacht weit
unterlegen war und griff deshalb zu einer List, indem er dem Römer weißmachte,
aufständische Stämme bedrohten den ursprünglichen Rückweg. Arminius schickte die drei Legionen samt ihrem
Tross in dichte Wälder und sumpfiges Gelände, wo sich seine Feinde
nicht formieren konnten. Der Cherusker ließ seine Männer in
Guerilla-Taktik immer wieder die Römer angreifen und ihnen schwere
Verluste zufügen. Die in Gefangenschaft geratenen römischen Soldaten
wurden entweder auf der Stelle niedergemacht oder auf das Grausamste
gefoltert. Die Schlacht dauerte mehrere Tage und endete mit
der Vernichtung der XVII., XVIII. und XIX. Legion. Einige kleinere
Abteilungen und vereinzelte Versprengte retteten sich in die Festung
Aliso, bevor sie sich in das Lager Vetera Castra (Birten) in Sicherheit
bringen konnten. Diese drei Legionen wurden nach ihrer Niederlage
zwischen Weser und Lippe nie wieder aufgestellt und verschwanden spurlos
aus dem Buch der römischen Militärgeschichte. Als Kaiser Augustus von
dem Verlust erfuhr, klagte er: „Quinctilius Varus, gib mir meine
Legionen wieder.“ Mit dieser Niederlage des römischen Heeres war
endgültig der Versuch gescheitert die Grenzen bis an die Elbe
vorzuschieben und Germanien als Provinz dem Römischen Reich
anzugliedern. Der Niederrhein blieb, wie zu Zeiten Caesars, die Grenze
bis zum Niedergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert nach Christi
Geburt. In den Jahren 14 – 16 nach Christus erreichte
Germanicus zwar das Schlachtfeld und bestattete die sterblichen Überreste
der gefallenen Legionäre in einem oder mehreren sogenannter Tumuli
(Tumulus = Grabhügel) die jedoch nach seinem Abzug von den Germanen
wieder dem Erdboden gleichgemacht wurden. Römische
Ziffern: I
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MMI Copyright © September 2001 Holger Kuhn Dietesheimer Str. 400 63073 Offenbach |