Once
upon a time on an ancient castle in the scottish highlands
von Holger
Kuhn Der
stramme Nordwestwind peitschte den Regen fast waagrecht wie einen zu
Wasser gewordenen Vorhang durch die Gegend. Die Tropfen stachen,
winzigen Nadeln gleich, auf der Haut. Der Sturm zerrte wie ein Berserker
an den Bäumen und entriss ihnen nicht selten eine stattliche Anzahl
ihrer Äste oder blies die Schwächeren kurzerhand zu Boden. Blitze
zuckten im Stakkato-Takt vom tiefschwarzen Himmel, spalteten hier einen
Baum, fuhren dort in die Erde, gaben ihre Ladung an das Land weiter.
Donner hallte wie Paukenschläge durch die Nacht, dass man befürchten
musste, der Himmel stürze herab auf die Erde. Unter den herabfallenden
Wassermassen verwandelten sich kleine Rinnsaale binnen weniger Minuten
zu reißenden Sturzbächen, die die Kraft besaßen das Land zu verändern.
Sand, Steine, Holz, Geröll. Alles wurde mitgerissen, an anderer Stelle
abgelagert, um von der nächsten Welle erneut zu Tal transportiert zu
werden. Und
trotz all dieser Unbilden der Natur war das ganze Spektakel nur ein
etwas heftigeres Herbstgewitter in diesen Breiten. * Die prächtige Standuhr am Kopfende der Halle
schlug zur zwölften Stunde. Mitternacht. Im Kamin fraß sich die Glut mit stetem Knistern
und Knacken durch die trockenen Holzscheite. Das Feuer tauchte den Raum
in flackerndes, warmes Licht, in eine behagliche Atmosphäre. Vor dem
Kamin hatte vor vielen Jahren ein Bärenfell seinen Platz gefunden, auf
dem es sich nun eine große, schlaksige Gestalt bequem gemacht hatte.
Der Kopf des Mannes ruhte auf dem massigen Schädel des Tieres, auf den
er der Bequemlichkeit halber ein Kissen platziert hatte. Der Single Malt im Glas neben dem Fell leuchtete
goldgelb und betörte die Sinne des Genießers mit seinem Duft und
Geschmack nach der torfigen Luft der Highlands. Die Churchill im
stilvollen Ascher verbreitete ein ähnliches Aroma, das ein wenig mehr
an erdige Walddüfte erinnerte und den Genuss des Alkohols abrundete. Träge
kräuselte sich der Zigarrenqualm der Hallendecke entgegen, ließ den
Raucher in Gedanken und Selbstzufriedenheit unter sich zurück. An den Wänden des großen, hohen Raumes hingen
die Portraits der Ahnen des Schlossherren. Eine imposante Galerie von
Persönlichkeiten die bis ins 10. Jahrhundert zurückreichte. Bis in
eine Zeit bevor die abendländischen Ritter zum ersten Mal das Kreuz
nahmen. * Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre. Die
eben noch warme freundliche Umgebung verwandelte sich schlagartig in ein
kaltes abweisendes Milieu. Der Raum verwandelte sich ebenfalls. Die
Konturen der Steinmauern verwischten gänzlich oder begannen einen
rhythmischen Tanz. Unter der Tür hindurch sickerte dichter Nebel in
den Raum der sich etwa eine handbreit über dem Fußboden verteilte.
Daraus lösten sich durchscheinende Schlieren, die die rauchgeschwängerte
Luft durchwaberten und Eiseskälte absonderten. Die Bilder ergriff ein ungewohntes Eigenleben. Die
Mienen verzogen sich in unbändiger Wut. Alle Vorfahren starrten
einhellig, missbilligend auf den Mann vor dem Kamin herab. Das Weiß der
Augen leuchtete im unsteten Licht der Flammen, das teilweise nicht
einmal die Bilder erreichte und die Gesichter größtenteils nur erahnen
ließ. Die Temperatur fiel schlagartig um einige Grade, ließ den vor
dem Kamin Liegenden frösteln, was ihn jedoch nicht weiter besorgte. Immer dichter kreisten die Schlieren den Earl ein.
Der Bodennebel zog sich zu einer zylindrischen Masse in die Höhe, die
sich zu einer konturlosen Gestalt verdichtete. Vorsichtig glitt dieses
Wesen dem Kamin entgegen. Aus dem Nebel schälten sich Konturen hervor,
die nichts Gutes erahnen ließen. Die Masse veränderte sich zu etwas
Monströsem, Grauenerregendem. Ein hässlich grinsender Totenkopf nahm
langsam Gestalt an. Verwesendes Fleisch bedeckte den Schädel nur
teilweise. An einigen Stellen lag der graue Schädelknochen schon frei.
Hier und da hing dünnes, schmutziges Haar an den Fleischfetzen, wie
Spinnweben in einer Zimmerecke. Schrilles Kreischen drang durch die Zahnlücken,
dass das Trommelfell malträtierte und weniger Zartbesaitete in den
Wahnsinn treiben konnte. Faulig stinkender Brodem ergoss sich in einem
Schwall zwischen den Kiefern hervor. Messerscharfe Krallen bildeten sich
innerhalb des Waberns, wanden sich durch den Vorhang aus nicht
Greifbarem und stießen auf das vermeintliche Opfer. Genüsslich sog der Mann an der Zigarre und
schloss dabei genießerisch die Augen. Nach einigen Augenblicken ließ
er den Rauch wieder aus der Mundhöhle strömen und genehmigte sich
einen kleinen Schluck des scharfen Getränks. Der Earl of Scarborrough fühlte
sich sichtlich wohl in seiner Haut. <Hallo, William. Mach dir nicht
so viel Mühe mit mir. > <Oh. Hallo Reginald. Bist Du auch mal wieder auf dem Anwesen deiner Familie zu finden. Schade eigentlich. Ich dachte ich könnte mal jemandem so richtig das Fürchten lehren.> Enttäuschung entsprang der rostig knarzigen Stimme. <Nimmst
Du einen Deerstalker mit mir?> Der Earl goss zwei Finger breit in ein
weiteres Glas und schob es in Richtung der Schlieren.
<Cheerio, Reginald my boy!>
<Nimm‘s gelassen, alter Highlander. Cheerio!>
Copyright © April 2000 Holger Kuhn Dietesheimer Str. 400 63073 Offenbach |