Quidditch

 

von

 

Holger Kuhn

 

 

Harry hockte auf seinem nagelneuen Nimbus 2000 und zog weite Kreise über dem Spielfeld. Tief unter sich konnte er seine Mannschaftskameraden erkennen, die sich einen harten Schlagabtausch mit der Mannschaft Slytherins lieferten. Die Zuschauer auf den Rängen der hölzernen Tribüne tobten und schrieen sich heiser vor Begeisterung. Ein Großteil aller Hogwarts-Schüler wollte sich das entscheidende Quidditch-Spiel um die diesjährige Schulmeisterschaft nicht entgehen lassen. Inmitten des Trubels wirkte die imposante Gestalt des Schulleiters Albus Dumbledores wie ein Fels in der Brandung. Snape saß klein und unscheinbar neben ihm.

Der Goldene Schnatz, dieses kleine fliegende Etwas, hatte sich bisher nur zu Beginn des Matches kurz blicken lassen. Also zog Potter noch ausgedehntere Kreise über dem Spielfeld. Nur wenige Meter entfernt flog Harrys Erzrivale auf seinem etwas älteren Besenmodell, der ein mißtrauisches und hasserfülltes Auge auf ihn warf. Draco Malfoy war das genaue Gegenteil des Gryffindor-Schülers. Aufgeplustert und ein elendes Großmaul, das Potter ihm schon einige Male gestopft hatte.

Insgeheim hoffte Malfoy, Harry würde den kleinen goldenen Ball zuerst entdecken. Bei Potters Versuch die einhundertfünfzig Punkte einzuheimsen, würde er ihm in die Suppe spucken. Den Schnatz also vorher in die Finger bekommen und somit den Sieg für das Haus Slytherin davontragen. Der Bursche malte sich in den schillerndsten Farben aus, wie er den verhaßten Gryffindors den Sieg vor der Nase wegschnappte. Malfoy, dieses blasse Ekelpaket, hielt nichts davon sich selbst auf die Suche nach der versteck spielenden Kugel zu machen. Der kleine Feigling mit der großen Klappe ließ immer andere für sich die Kohlen aus dem Feuer holen. Diesmal sollte dies Harry tun. Der aber dachte nicht im Traum daran für Malfoy irgendetwas aus irgendeinem Feuer zu holen. Ganz im Gegenteil, denn Potter besaß den Schnatz bereits seit geraumer Zeit ohne das es jemand bemerkt hatte. Nun ging es ihm nur noch darum den Fang des Kleinodes so geschickt in Szene zu setzen, das sein Rivale als der Versager dastand, den er auch abgab.

Harry kurvte noch einige Flugmanöver durch die klare Luft, bevor er damit begann seinen Widersacher auf das Spielfeld zu locken. Nur so konnte er nahe genug an seinen Kontrahenten herankommen, um ihn der Lächerlichkeit preis zu geben. Er hoffte inbrünstig der Slytherin-Schüler würde den Braten nicht zu früh riechen. Langsam senkte sich der Besen gen Erde und ging in den Gleitflug über. Unterdessen beharkten sich die beiden Mannschaften immer noch aufs heftigste.

Als Harry dem Spielerpulk zu nahe kam, löste sich sofort ein gegnerischer Treiber und knallte einen Klatscher in Richtung des Suchers, um diesen von seinem Fluggerät zu werfen. Potter konnte dem Klatscher nur mit Mühe und Not und der Hilfe eines Mitspielers ausweichen. In der bereits verstrichenen Spielzeit hatte sich die Mannschaft Gryffindors mit einigen spektakulären Toren eine komfortable Führung erspielt. Der Gegner konnte nur noch durch den Fang des Goldenen Schnatzes die drohende Niederlage abwenden.

 

Odinius Klindisch schwebte verdutzt über der Mitte des Spielfeldes, Harry beobachtend der, Malfoy im Schlepptau, zögerlich zu Boden sank. Was zum Du-weißt-schon-wer hat er jetzt bloß wieder vor? Klindisch unterrichtete in diesem Schuljahr das Fach „Verteidigung gegen die dunklen Künste“. Ihm wurde auch die Ehre zu teil, das Endspiel der schulinternen Quidditch-Meisterschaften zu pfeifen. Obwohl er selbst als junger Zauberer ein erfolgreicher Spieler gewesen war, wunderte Klindisch sich zum x-ten Mal über die Taktik und Spielzüge seines Schülers.

Potter landete in der Nähe des Schiedsrichters. Auf den Rängen tobten lautstark die Zuschauer, die vermuteten, er habe den Schnatz entdeckt. Langsam, fast vorsichtig, ging Harry auf Malfoy zu, der ihn weiterhin mißtrauisch beäugte. „Na Potter, hast du Höhenangst bekommen oder warum suchst du nicht weiter nach dem Schnatz?“ höhnte er. Das Waisenkind ließ sich davon nicht beirren und umrundete seinen Kontrahenten. Behutsam fasste er zwischen die Reisigzweige von Malfoys Besen. „Hast du denn gar nicht bemerkt, das sich der Schnatz zwischen den Zweigen deines Besens versteckt hält?“ fragte Harry anzüglich grinsend.

 

  

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