Schatten und Finsternis von Reginald
Lanira <Sie
fahren bestimmt einen schwarzen Opel Corsa?> Aufgeregt trete ich an
den Nachbartisch. Die
junge Dame sieht überrascht auf und lächelt in meine Richtung. <Wie
kommen Sie darauf?> <Alle
schönen Frauen fahren einen schwarzen Corsa.> Die schick Gekleidete
stach mir nicht sofort ins Auge als ich die Lokalität betrat. Erst als
ich an einem Tisch in der Nähe saß und die holde Weiblichkeit
eingehender in Augenschein nahm. Ich persönlich würde sie eher als
herbe Schönheit bezeichnen. <Da
muss ich Sie leider enttäuschen. Ich besitze nicht einmal einen Führerschein.>
Ihre Stimme klingt angenehm weich. <Das
macht doch nichts. Die Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Ich
hoffe ich darf mich trotzdem zu ihnen setzen?> Keine Ahnung woher ich
den Mut nehme, einfach weiter zu plaudern. <Aber
bitte. Mein Kompliment für ihre Anmache. Sie hat etwas originelles und
ist nicht abgedroschen.> <Vielen
Dank. Ich habe lange dazu gebraucht den Spruch einsatzbereit zu feilen.
Ich darf mich vorstellen. Mein Name ist Best. Dirk Best.> <Angenehm.
Kosfeld. Silvia Kosfeld.> Die Schöne hält mir ihre Hand hin, die
ich sanft drücke. <Würden Sie mich bitte einen Augenblick
entschuldigen? Ich möchte mich ein wenig frisch machen.> Die Frau
holt einen weißen Stab hervor und tastet sich zwischen den Stuhlreihen
hindurch zum Lady's Room. In der Zwischenzeit in der ich allein am Tisch
verweile, nutze ich die Gelegenheit und gebe eine Bestellung auf. * <Herr
Best? Sind Sie noch da?> Die junge Frau erwartet keine Antwort zu
erhalten, umso überraschter ist sie, als ihre Frage bejaht wird.
<Warum sind Sie noch hier?> <Warum
nicht? Hatten Sie erwartet das ich sang- und klanglos verschwinde?>
Ich bin zwar ein wenig verdattert, das Leben hat mich auf dem falschen
Fuß erwischt, aber daran hatte ich keinen Gedanken verschwendet. <Ja,
so ähnlich. 90 % der Männer gehen einfach, der Rest sucht nur ein
schnelles Abenteuer oder ein pflegeleichtes Betthäschen. Mit beidem
kann ich nicht dienen.> <Sie
klingen verbittert. Mir scheint Sie sind enttäuscht, daß ich noch hier
sitze. Zugegeben, die Situation verunsichert mich ein wenig. Ich weiß
nicht wie ich Sie "anpacken" soll, aber nicht alle Männer
sind Schweine.> Verlegen spiele ich mit dem Gürtel meines grünen Ledermantels. <Es
tut mir Leid, daß es mir so offensichtlich anzumerken ist. Ich habe
wohl noch nicht die nötige Erfahrung mit mutigen Männern und um die
Spreu vom Weizen zu trennen.> Die Bedienung bringt ein Kännchen
Schwarzen Tee mit Milch und Zucker. <Sind
Sie öfters hier anzutreffen?> Normalerweise bin ich nicht so
neugierig. <Ab
und an. Meist schließe ich einen Bummel mit einem Tee ab. Das Leben und
der Lärm der Stadt faszinieren mich.> Geschickt öffnet sie den
Zuckerbeutel und läßt den Inhalt in ihre Tasse rieseln. <Darf
ich ihnen eine persönliche Frage stellen?> <Nur
zu. Tun sie sich nur keinen Zwang an.> Unsicher
spiele ich mit einem Bierdeckel. <Sind Sie seit ihrer Geburt
blind?> <Ja,
das bin ich. Ich wurde blind wie ein Maulwurf geboren und lebe seitdem
in der Dunkelheit.> Die Blinde tastet nach ihrer Tasse und nimmt
einen Schluck Tee. <In
absoluter Dunkelheit oder können Sie Schatten erahnen?> <Sie
meinen ob ich die Schatten von Hindernissen wahrnehme? Ja. Kurz bevor
ich gegen ein unbewegliches, massives Hindernis laufe, fühle ich seine
Existenz.> Die
Kellnerin bringt mir gut gelaunt meine Bestellung. Sie stellt eine Tasse
Früchtetee und einen gefüllten Kräppel vor mir ab und zieht sich
wieder zurück. <Lassen
Sie es sich schmecken.> <Vielen
Dank. Woher wissen Sie...?> <Ich
hörte wie die Bedienung zwei Teller vor ihnen abstellte.> Die junge
Frau nimmt den Löffel und rührt, über meine Verwunderung belustigt,
in ihrem Tee. Der
Berliner ist mit Pflaumenmus gefüllt und mundet köstlich. Er ist einer
der Gründe warum ich hin und wieder dieses Café besuche. Während ich
es mir schmecken lasse, wechsle ich mit Frau Kosfeld kein einziges Wort.
Sie wirkt in Gedanken versunken, aus denen ich sie nicht herausreißen
will. Leute kommen und gehen, zahlen oder geben Bestellungen auf. Ich fühle
mich in ihrer Nähe wohl. Die Hektik und das Treiben ringsherum tritt
zunehmend in den Hintergrund. <Darf
ich Sie um einen Gefallen bitten?> Diesmal ist es an ihr, verlegen
mit dem Teelöffel zu spielen. <Ja?!>
Ich wische mir gerade mit der Serviette die Füllung aus den
Mundwinkeln. <Ich
möchte wissen wie Sie aussehen.> * <Du
hast sehr schöne Hände.> Während wir frisch geliebt auf dem Bett
kuscheln, begutachte ich Silvia's Finger. Das Mädchen besitzt schlanke,
feingliedrige Hände. <Hast du schon mal daran gedacht, die Nägel länger
wachsen zu lassen? Dir rote Krallen zuzulegen?> <Schon,
aber ich schneide sie immer selbst und besitze leider nicht das Gespür
für die richtige Länge. Entweder schneide ich ungleichmäßig lang
oder eckig.> Die Nackte drückt sich warm und weich an mich. <Was
hältst du davon, wenn ich sie dir schneide? Im Moment haben deine Nägel
die richtige Länge für einen Schnitt. Und anschließend lackiere ich
sie dir blutrot. Rein zufällig
habe ich dir Nagellack mitgebracht.> Unschuld heuchelnd rolle ich die
Augen gen Himmel. Copyright
© November 1998 Holger Kuhn Dietesheimer Str. 400 63073 Offenbach |